Zeitzeugin Rozette Kats: Bezeugen und Erzählen ist Menschenpflicht
(mo.) Zum wiederholten Mal war die Zeitzeugin Rozette Kats zu Gast in der Aula der Goetheschule. In anschaulicher Weise erzählte sie dem 10. und 11. Jahrgang ihre berührende Lebensgeschichte, deren Leid den Folgen der Ermordung ihrer jüdischen Eltern in Auschwitz entspringt:
- Sie ist noch kein Jahr alt, als ihre jüdischen Eltern die kleine Rozette in Amsterdam an Pflegeeltern abgeben mussten. Sie bekommt zum Schutz eine neue Identität als Rita.
- Am Vorabend ihres 6. Geburtstags erfährt sie von den „Eltern“, dass sie nicht Rita ist, sondern Rozette. Aber darüber solle nicht mehr gesprochen werden.
- Mit 12 Jahren fragt sie, ihren Onkel, der die Vernichtung überlebt hat, nach ihren Eltern – ohne Erfolg.
- Mit 18 Jahren erhält sie zwei Ringe und eine Uhr – letzte Hinterlassenschaften ihrer Eltern.
- Mit 42 Jahren sieht sie zum ersten Mal bewusst ihre Eltern – auf einem Foto, das ihr Onkel ihr gibt.
- Mit ca. 50 Jahren macht sie sich auf den Weg zu ihrem wahren Ich – aus Rita wird Rozette.
- Heute wagt sie ihren Kettenanhänger in Form eines Davidssterns nicht mehr offen in Amsterdam auf der Straße zu tragen.
- Heute ist es ihr ein besonderes Anliegen, auf rassistisches und antisemitisches Verhalten aufmerksam zu machen.
Ihre kindliche Welt bricht zusammen, als ihr „Vater“ ihr mit 6 Jahren eröffnet, er sei nicht ihr Vater, genauso wenig wie seine Frau ihre Mutter sei. Aber man wolle nicht mehr darüber reden. Auch der 18. Geburtstag, an dem Rita – so Rozettes Name damals – die Eheringe ihrer Eltern überreicht bekommt, ändern daran nichts. Ein Onkel, der den Holocaust überlebt hatte, vermag der nach der Wahrheit suchenden jungen Frau nicht zu helfen. Sein Trauma verhinderte das Erzählen der Familiengeschichte. Und so gelingt es Rita erst nach einem Zusammenbruch, einer Therapie und Kontakten zu Schicksalsgenossen ihre Identität als Rozette Kats zu entdecken und ihr eigentliches Leben zu beginnen: Ein Leben auf dem Weg zu sich selbst!
Der Besuch von Rozette Kats wurde von der „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Northeim“ gefördert. Den Kontakt für die Goetheschule vermittelte Jörg Bachmann (Kultur im Esel).