Dr. Friedrich-Karl Wiemer † Ein Nachruf
In der Erinnerung vieler Einbeckerinnen und Einbecker wird er seinen Platz haben, der verstorbene Direktor der Goetheschule in Einbeck, Dr. Friedrich-Karl Wiemer.
1928 wurde er in Rodenberg am Deister in eine Zeit hineingeboren, die für das Träumen wenig Raum ließ. Ab 1933 gab der Nationalsozialismus die Lebensentwürfe der Jugend vor, die wenig Möglichkeiten für individuelle Entfaltung hatte. In den letzten Kriegsjahren wurden viele Schüler für den Kriegseinsatz gebraucht, sodass die Schullaufbahn abgebrochen werden musste. Auch Friedrich-Karl Wiemer musste das Gymnasium in Quakenbrück verlassen – ab Jahresbeginn 1944 ist er Marinehelfer in Wilhelmshaven. Im Dezember 1945 wurde der Unterricht wieder aufgenommen, und Friedrich-Karl Wiemer erlebte den von Not geprägten Unterricht der Nachkriegszeit. 1947 legte er sein Abitur ab. Da ein Studium ausschließlich für langjährige Kriegsteilnehmer möglich war, folgte ein „Übergangsjahr“ mit wechselnden Arbeiten. Den zunächst gehegten Wunsch nach einem anschließenden Jurastudium gab Friedrich-Karl Wiemer zugunsten des Studiums der Mathematik und Biologie auf. Münster, in dem er bereits die Trümmer der Bombennächte zu beseitigen geholfen hatte, wurde von 1948 bis 1955 sein Studienort. Die 1951 begonnene Dissertation im Fach Biologie führte 1954 zur Verleihung der Doktorwürde. Die Referendariatszeit absolvierte Dr. Friedrich-Karl Wiemer 1955 bis 1957 in Hannover. In direktem Anschluss an das Referendariat kam er an die Goetheschule nach Einbeck. Das 1907/1908 errichtete Gymnasium hatte 1955/56 einen ersten Anbau erhalten. Steigende Schülerzahlen machten einen Erweiterungsbau 1961 erforderlich, 1969/70 erfolgte der dritte Erweiterungsbau und ein Umbau des Altbaus. Für Dr. Friedrich-Karl Wiemer waren es Jahre eines beruflichen Engagements, das ihm den Weg hin zur verantwortungsvollen Position des Schulleiters bereitete. 1971 übernahm er diese Position als Nachfolger von Erich Köhler. Ehemalige Kolleginnen und Kollegen von Dr. Friedrich-Karl Wiemer erinnern sich daran, dass er sich in der Lehrerschaft eine breite Vertrauensbasis erarbeitet hatte, die seine „Ära“ prägte. Die Zeiten waren mit der 68er Bewegung, dem Generationenkonflikt und Schulreformen wie der Oberstufenreform von 1976/77 herausfordernde – gerade für ein kleines Gymnasium. Da war die Herausforderung des Fachraumbedarfes in Zeiten steigender Schülerzahlen, die Herausforderung durch Lehrermangel und die Herausforderung durch veränderte Lehr- und Lernsituationen. Durch diese Zeiten des Wandels lenkte Dr. Friedrich-Karl Wiemer die Goetheschule mit sicherer Hand – so erinnern sich Weggefährten von einst. In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Schulelternrat seien viele Probleme gelöst worden. Ebenso habe Dr. Friedrich-Karl Wiemer stets in konstruktivem Dialog mit dem damaligen Schulträger, der Stadt Einbeck, gestanden. Wichtig sei ihm bei den Fördermaßnahmen für die Goetheschule eine stetige Akzeptanz der Stadtöffentlichkeit gewesen. Sein Augenmerk habe in besonderem Maße der Schülerschaft der Goetheschule gegolten: Exkursionen und Schulfahrten wurden von ihm gefördert, so z.B. der Schüleraustausch mit den Partnerstädten Thias und Patschkau/Paczkov. Die starke Politisierung der Gesellschaft wirkte hinein bis in das Kollegium, insofern war auch hier Dr. Friedrich-Karl Wiemer als Schulleiter gefordert. So habe er auf die Einhaltung eines kollegialen Grundkonsenses geachtet, in dessen Rahmen aber verschiedene Auffassungen und pädagogische Stile koexistieren und kooperieren konnten. 1991 verabschiedete sich die Schulgemeinschaft der Goetheschule von ihrem langjährigen Direktor mit einer großen Abschiedsfeier.
Die Stadt Einbeck war in all diesen Jahren der Lebensmittelpunkt der Familie Wiemer. Hier lebte der Schulleiter mit seiner Ehefrau und den drei Kindern. Der Garten war sein Hobby wie auch Reisen nach nah und fern. Als Mitglied der Einbecker Tischgesellschaft und des Hubekegelclubs nahm Dr. Friedrich-Karl Wiemer teil am Einbecker Vereinsleben. Am wichtigsten aber blieb das Familienleben, das durch fünf Enkelkinder und acht Urenkelkinder bereichert wurde.
„Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir in uns tragen“ – so beginnt ein Roman, der die Schule in unserer rückblickenden Erinnerung beschreibt. Rückblickend verschmilzt die „Ära Wiemer“ mit einer Schule vor der digitalen Revolution mit einem anderen Zeitgeist als dem heutigen. Zeiten wandeln sich, aber wichtig bleibt der Mensch, der in den Zeiten des Wandels aufrecht und einfühlsam sein Leben lebt – privat wie auch dienstlich. In diesem Sinne erinnert sich die Schulgemeinschaft der Goetheschule an einen charakterstarken, sozial eingestellten Lehrer und Schulleiter, der eine Generation von Schülerinnen und Schülern beeindruckt und eine Epoche der Einbecker Schullandschaft geprägt hat.
von Dr. Susanne Mosler