Papageno bei Parship? – Der Klassiker „Die Zauberflöte“ in modernem Gewand zu Gast in der Goetheschule
Wer kennt sie nicht, die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts „Zauberflöte“? Was wissen wir Weiteres? Da gibt es noch Papageno, den Typen im Vogeloutfit, und eine Papagena, die – wie ihr Name verrät – zu ihm gehört. Ihrer beider berühmtes Duett zeigt beide oder einen von beiden als scheinbar mit einer Sprachstörung behaftet, da sie sich zunächst allein mit den Silben „Pa – Pa – Pa – Pa“ ansingen. Nur warum machen sie das? Welche weiteren Figuren spielen eine Rolle? Und was passiert überhaupt in der Oper „Die Zauberflöte“?
Natürlich kann man prima mit diesem geringen Wissen über eine der berühmtesten Opern durchs Leben gehen, aber schaden kann es nicht, durch Wissen bisher unbeleuchtete Gebiete unserer Kultur zu illuminieren. Denn stets widerspiegeln unsere Kulturgüter Fragen und Probleme des menschlichen Lebens so, wie auch wir sie erleben. Die „Junge Oper Detmold“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die durchaus lebensnahen Stoffe der Opernwelt uns Normalmenschen leicht und verständlich zugänglich zu machen. Und in der letzten Woche bestand dieses Publikum aus Schülerinnen und Schülern des fünften und sechsten Jahrgangs der Goetheschule.
Durch ein launiges Frage- und Antwortspiel zwischen ihnen und einem Darsteller des Detmolder Ensembles klärte sich zu Beginn, was überhaupt eine Oper ausmache. So sensibilisiert konnte man gleich von Anfang an Bühnenbild, Kostüme, Gesang und Musik genießen. Auch das Thema war den Schülerinnen und Schülern kein fremdes: es geht um Prüfungen. Nicht um Schulprüfungen, sondern um richtig menschlich gewichtige. Da gibt es die Königin der Nacht, die ihr Reich irgendwann an ihre Tochter vererben will – also Thema Erbschaft; das gibt es in vielen Familien. Prinzessin Pamina, Tochter der Königin, soll natürlich nicht irgendeinen Trottel heiraten, sondern schon einen charakterstarken Prinzen – altbekannte Thematik der Suche nach dem richtigen Ehepartner bzw. Schwiegersohn. Damit dessen Charakterstärke – im worst case Charakterschwäche – sich erweise, benötigt man eine Prüfung, neudeutsch als challenge in annähernd jedem TV-Format dargeboten. Diese Prüfung besteht nun in der Suche nach der Prinzessin und bei unserer Schulaufführung in der Überprüfung der Intelligenz des Prinzen. Durch die Vermittlung des Vogelfängers Papageno (dessen Beruf erklärt die bizarre Kleidung) erhält Prinz Tamino das Bild der Prinzessin Pamina, in das bzw. die er sich sofort per Fernliebe verliebt. Bei Papageno muss die Liebe noch ein wenig warten; Parship benötigt er dennoch nicht. Dass er Aussicht auf diese Liebe hat, weiß er aus dem deal, den die Königin der Nacht mit ihm geschlossen hat: Papageno bekommt eine Papagena, wenn er den Prinzen Tamino in seinem Prüfungsprozess unterstützt. Also ist hier das nächste Thema zu finden: Teamarbeit ist immer gut. Beiden „Teamern“ wird ein magischer Gegenstand als Hilfe gewährt: Für Papageno ist es ein Glockenspiel, Tamino erhält eine Zauberflöte. In märchenhafter Weise verhilft nun das Glockenspiel Papageno zur Kontaktaufnahme mit einer geheimnisvollen, verschleierten Frau, alt und hexenhaft wirkend, die sich nach des Vogelfängers tollkühnem Treueschwur ihr gegenüber als Papagena entpuppt. Nach dem Ablegen des Schleiers zeigt sie sich in ihrer Schönheit, die dem sonst so wortgewaltigen Papageno die Sprache raubt. Nur stotternd kann er sich dem Aussprechen ihres Namens nähern; in liebevoller Belustigung äfft sie sein hilfloses Gestammel nach. In jugendfreier Vereinigung vermögen beide ihre Namen Papageno und Papagena fehlerfrei zu formulieren. Reichte es für den Vogelfänger, sich vorbehaltlos und unbesehen zur Frau seines Lebens zu bekennen und ihren Namen fehlerfrei auszusprechen (für wenige Ehemänner vielleicht manchmal ein Problem – soviel zur gewichtigen Thematik), so hat Prinz Tamino gleich die Elemente Feuer, Wasser, Wind und Erde unter Einsatz seines Lebens zu bändigen, um Tamina zur Frau zu bekommen und sich als Mitregent zu empfehlen. Und wo, wenn nicht in einem Gewitter, bieten sich die vier Elemente unbezwungen dar?! Unterstützt von Tamina, die sich hier als würdige Partnerin erweist, und unterstützt von den jungen Goetheschülerinnen und Goetheschülern, die sich als tatkräftiges Publikum erwiesen, stellt sich Tamino den Elementen und vermag sie mittels der Zauberflöte zu beherrschen. Sein Lohn ist die Liebe der Prinzessin und die Gewissheit, mit ihr an seiner Seite das Reich des Tages und der Nacht dereinst zu regieren.
Der Jungen Oper Detmold gelang es, mit nur drei Akteuren, zwei Sängern und einer Sängerin, in einer guten Stunde Spielzeit auf dynamische, mitreißende Art Mozarts Oper in gut verständlicher Form zum Leben zu erwecken. Diese Inszenierung beeindruckte und hinterlässt gewiss Spuren; einerlei, ob es der vielleicht erstmals vernommene, fremdartige Gesang war, der eben nur ausgebildeten Stimmen zu entspringen vermag, ob es die in ihren Bann schlagende Bühneninszenierung war oder eventuell doch schon der intuitive Eindruck, dass Musik, musikalische Kunst immer auch unserem Menschsein mit allem Licht und Schatten Ausdruck zu verleihen vermag.